Thema Nr. 1: Fragen und
Antworten zur Gefahrenanalyse und zur technischen
Dokumentation im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EG
Frage 1: Kann bei der Anwendung einer C-Norm
auf die Gefahrenanalyse verzichtet werden?
Antwort zu Frage
1:
Wortlaut der
Richtlinie 98/37/EG: -siehe Anhang I
Vorbemerkungen Ziffer 3 Absatz 3- Zitat:
"Der Hersteller ist verpflichtet eine
Gefahrenanalyse vorzunehmen, um alle mit seiner Maschine
verbundenen Gefahren zu ermitteln; er muß die Maschine
dann unter Berücksichtigung seiner Analyse entwerfen und
bauen."
Die
Dienststellen der Europäischen Kommission vertreten
folgende Auffassung: -siehe: Bisher von der
Europäischen Kommission freigegebene Fragen und
Antworten zur Interpretation der EG-Maschinenrichtlinie,
Stand 10/98, Antwort 73- Zitat: "Der
Maschinenhersteller muß stets eine Gefahrenanalyse
durchführen. Soweit C-Normen bestehen, kann der
Hersteller sie bei der Analyse bestimmter (oder aller)
Gefahren anwenden."
Antwort des
Verfassers: Die C-Norm ist das offizielle
Ergebnis der Gefahrenanalyse/ Risikobeurteilung für eine
bestimmte Maschine, z.B. gemäß EN 12100, EN 1050 (A-Normen,
Grundnormen) und der EN 954 (B-Norm, Gruppennorm). Die
Auffassung der Europäischen Kommission ist aus heutiger
Sicht irreführend, denn die maschinenspezifische C-Norm
(Produktnorm) geht den A- und B-Normen in jedem Fall vor.
Das heißt, sollte die Gefahrenanalyse gemäß A- und B-Normen
ein anderes Ergebnis als die C-Norm liefern, wird man die
Richtlinie 98/37/EG nicht erfüllen können, da die C-Norm
gegenüber den A- und B-Normen Vorrang hat.
Die richtige Antwort muß also lauten:
Der Maschinenhersteller muß stets die C-Norm (oder
gleichwertige Maßnahmen) anwenden. Soweit Gefahren
bestehen, die von der C-Norm nicht erfasst werden, muß
er auch eine Gefahrenanalyse für diese Restgefahren
durchführen.
Hinweis: Eine C-Norm kann nicht sämtliche
Gefahren einer Maschinengattung erfassen und dabei
tagesaktuell gehalten werden. Der Gesetzgeber muß ja
auch die technische Entwicklung, die Vielfalt der
Anwendungsmöglichkeiten und nicht zuletzt die langen
Durchlaufzeiten der Normensetzer bei der Überarbeitung
der Normen, berücksichtigen. Es wäre nicht im Sinne der
Sicherheit, wenn jemand behaupten könnte, daß alles was
nicht unter den spezifischen Gefahren einer bestimmten
Maschine gemäß C-Norm genannt ist, ungefährlich sei.
Frage
2: Muß der
Maschinenhersteller die Durchführung der Gefahrenanalyse
dokumentieren?
Antwort zu Frage
2:
Der Verfasser:
In der EG-Maschinenrichtlinie befindet sich kein Hinweis
auf eine Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation
der Gefahrenanalyse gemäß Anhang I Vorbemerkung 3
Absatz 3.
Bitte, bedenken Sie folgendes: ohne die vorhandenen
Gefahren zu kennen, wird der Entwurf einer jeglichen
Schutzeinrichtung nicht möglich sein. Die
sicherheitstechnische Ausrüstung einer Maschine stellt
ja das Ergebnis der Gefahrenanalyse dar. Der Fachmann
kann anhand der Sicherheitsausrüstung einer jeden
Maschine die Durchführung der Gefahrenanalyse
nachvollziehen.
Wenn Sie so wollen, die Maschinenbeschreibung bzw. die
Maschine selbst ist die Dokumentation der Gefahrenanalyse.
Frage
3: Einige Prüfstellen
verlangen trotzdem eine schriftliche Gefahrenanalyse.
Warum?
Antwort zu Frage
3:
Der Verfasser:
Es ist ein gutes Recht einer jeden Prüfstelle als
hausinterne Forderung eine dokumentierte Gefahrenanalyse
zu verlangen.
Durch die Vorlage einer vom Maschinenhersteller
erstellten Gefahrenanalyse wird eine Maschinenprüfung für
die externe Stelle technisch einfacher und
haftungsrechtlich günstiger sein. Bei der Vielfalt und
Schnelligkeit der technischen Entwicklung unserer Zeit
ist das durchaus verständlich.
Frage
4: Es
erscheint nicht plausibel, warum neben der Erklärung des
Herstellers auch Maschinenbegleitunterlagen (Betriebsanleitung
und Dokumentation) -die zusätzliche Kosten verursachen-
mit zum Lieferumfang gehören sollen?
Antwort zu Frage
4:
Wortlaut der
Richtlinie 98/37/EG: -siehe Anhang I Ziffer 1.7.4
a) ff.- Zitat: "Jede Maschine muß
mit einer Betriebsanleitung mit den folgenden
Mindestangaben versehen sein..."
Die
Dienststellen der Europäischen Kommission vertreten
folgende Auffassung: -siehe: Bisher von der
Europäischen Kommission freigegebene Fragen und
Antworten zur Interpretation der EG-Maschinenrichtlinie,
Stand 10/98, Antwort 4- Zitat: "...In
Nr. 1.7.4 des Anhangs I wird für Maschinen eine
Betriebsanleitung gefordert. ... Die erforderliche
Dokumentation, die sich aus Anhang V ergibt, gehört
nicht zum Lieferumfang; Stücklisten und Zeichnungen
verbleiben wie eh und je beim Hersteller."
Antwort des
Verfassers: Eine Betriebsanleitung gemäß
Anhang I Ziffer 1.7.4 muß stets erstellt und
mitgeliefert werden. Die Lieferung von technischer
Dokumentation, wie Schaltplänen und Stücklisten, sollte
im Bedarfsfall privatrechtlich sichergestellt werden.
Frage
5: In
Ziffer 3 Anhang V wird eine technische Dokumentation
bestehend aus dem Gesamtplan der Maschine, Berechnungen,
Versuchsergebnissen, div. Listen, Qualitätssicherungsnachweisen
usw. gefordert. Werden durch die Erstellung dieser
umfangreichen Unterlagen die Klein- und Mittelbetriebe
nicht unnötig belastet?
Antwort zu Frage
5:
Wortlaut der
Richtlinie 98/37/EG: -siehe Anhang V Ziffer 4 a)
und Ziffer 3 letzter Absatz - Zitat
1: "Die unter Nummer 3 genannten Unterlagen
brauchen nicht ständig und tatsächlich vorhanden zu
sein, müssen jedoch innerhalb eines Zeitraums, der der
Wichtigkeit der Unterlage zu entsprechen hat,
zusammengestellt und zur Verfügung gestellt werden können."
Zitat 2: "... auf gebührend begründetes
Verlangen der zuständigen nationalen Behörde ..."
Die
Dienststellen der Europäischen Kommission vertreten
folgende Auffassung: -siehe: Bisher von der
Europäischen Kommission freigegebene Fragen und
Antworten zur Interpretation der EG-Maschinenrichtlinie,
Stand 10/98, Antwort 63- Zitat: "Die
technischen Unterlagen müssen nur auf begründeten
Antrag hin vorgelegt werden. Das heißt, daß der
Hersteller lediglich die Teile der Unterlagen liefern muß,
die für den jeweiligen Antrag relevant sein können."
(siehe auch Frage 4)
Antwort des
Verfassers: Die technischen Unterlagen nach
Ziffer 3 Anhang V brauchen nicht ständig und tatsächlich
vorhanden zu sein, müssen jedoch auf einen gebührend
begründeten Antrag (z.B. laufendes Rechtsverfahren wg.
Unfall) der zuständigen nationalen Behörde (in
Deutschland ist das Amt für Gewerbeaufsicht zuständig),
innerhalb einer angemessenen Frist, nur zum
antragsrelevanten Teil, vorgelegt werden können.
Frage
6: Das ständige
und tatsächliche Vorhandensein der in Ziffer 3 Anhang V
genannten Unterlagen wird also unter Ziffer 4 a) verneint.
Antragsrelevante Teile der Unterlagen müssen jedoch (in
einem nach unserer Statistik sehr unwahrscheinlichen Fall)
vorgelegt werden können. Warum formuliert man so
kompliziert?
Antwort zu Frage
6:
Der Verfasser:
Die Aussage von Nummer 4 a) in Verbindung mit Nummer 3
des Anhangs V stellt im wesentlichen die Umkehr der
Beweislast dar. Seit dem Inkrafttreten der Richtlinie muß
der Maschinenhersteller den juristischen Beweis für die
Richtigkeit seiner Handlungen erbringen können (z.B. im
Falle einer Gerichtsverhandlung).
Neben der persönlichen Haftung (Konformitätserklärung)
ist die Beweislastumkehr eine der wichtigsten
juristischen Neuerungen der EG-Maschinenrichtlinie.
Ferner müssen Sie bedenken, daß die Richtlinie 98/37/EG
das Ergebnis langwieriger Verhandlungen der
Mitgliedsstaaten ist. Die Einarbeitung der ausgehandelten
Kompromisse, eine Reihe von Übersetzungsfehlern und
unklaren Formulierungen haben zur Übersichtlichkeit
nicht gerade beigetragen.
Da über einige Sachverhalte (z.B. Anwendungsbereich)
heute noch Auffassungsunterschiede innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft bestehen, ist der Anwender gut beraten, die
Originaltexte der Richtlinie in der jeweiligen EG-Amtssprache
zu studieren.
Auf Meinungen und Interpretationen der einschlägigen
Literatur sollte man weitgehend verzichten.
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