Thema Nr.
3: Prüfung von "Altmaschinen"
nach der Betriebssicherheitsverordnung gemäß §
7 Absatz 2 Ziffer 2 durch beispielhafte
Auswertung von Fehlerbildern
Einführung:
Viele Unternehmen tun sich immer noch
schwer mit der Anpassung der Arbeitsmittel an die
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) vom 27.
September 2002. Das mag auch an den umfangreichen
Anleitungen und Dokumentationsvorlagen der
Unfallversicherungsträger und sonstigen Stellen
liegen, die einen recht arbeitsintensiven
Eindruck machen. Angesichts der Anzahl der zu
bewertenden Arbeitsplätze in einem mittleren
Unternehmen wirkt das eher abschreckend, die
Anpassung wird oft nur halbherzig bis gar nicht
durchgeführt oder auf die lange Bank geschoben.
Die Anleitungen und Vorlagen sind dabei allesamt
Empfehlungen und Interpretationen je nach
Interessenlage der Anbieter und keinesfalls
verbindlich.
In diesem Beitrag soll anhand von Beispielen
gezeigt werden, daß die Prüfung in den meisten
Fällen mit relativ geringem Aufwand, z.B. im
Rahmen der täglichen Betriebsbegehung, von der
Sicherheitsfachkraft durchgeführt werden kann.
Vorgehen:
Die Fotos werden nach
sicherheitstechnischen Mängeln ausgewertet, die
- wie in der Praxis - mit Vorschriften/ Normen/
technischen Regeln etc. begründet werden können.
Solche Beanstandungen müssen umgehend beseitigt
werden.
Zusätzlich werden die Mängelpunkte in 3
Problemgruppen, technischen (T),
organisatorischen (O) und verhaltensbedingten (V)
Ursprungs, eingeteilt. Die Gruppierung soll
helfen weitere Aussagen über die
Arbeitssicherheit im Betrieb treffen zu können.
Anmerkungen:
Die nebenstehenden Fehlerbilder sind zwar
gestellt aber durchaus praxisnah. Sie sollen in
diesem Beispiel als Momentaufnahmen von Arbeitsplätzen,
wie die Sicherheitsfachkraft diese tagtäglich
erlebt, betrachtet werden.
Es können selbstverständlich nur den Bildern
ersichtliche Problempunkte, d.h. ohne das Studium
der Maschinensteuerung, der elektrischen Ausrüstung,
der Begleitunterlagen, ohne Gefahrstoffe und
Brandschutz, etc., betrachtet werden.
Prüfgrundlagen:
Als primäre Prüfgrundlage wird die
Betriebssicherheitsverordnung zugrundegelegt. Es
sollen jedoch gemäß § 7 Absatz 2 Ziffer 2 -
Rechtsvorschriften, die im Zeitpunkt der
erstmaligen Bereitstellung gegolten haben -
mitberücksichtigt werden.
Das heißt, es gelten die zum Zeitpunkt der
erstmaligen Inbetriebnahme gültigen
Rechtsvorschriften, es sei denn, die BetrSichV
stellt höhere Anforderungen.
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Bild 1:
Bohrmaschine (Baujahr 1990)
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zu Bild 1 - Bohrmaschine:
Prüfgrundlagen:
VBG 4, VBG 5, VBG 7n § 4, VDE 0113 T. 1/02.86,
DIN 40050/6.72 (Bl. 2), DIN 43605/7.67, DIN 43666/12.57,
DIN 31000/03.79, DIN 31001 T. 1/04.83, DIN 33401/07.77,
VDI-RL 3228/5.67 und VDI-RL 3231/11.74 in
Verbindung mit der Betriebssicherheitsverordnung1.1 Gefahrstellen
an Antrieben müssen gem. VBG 5 §3 (2) 1 vollständig
verkleidet sein, d.h. eine Schutzhaube ist am
Riementrieb anzubringen. Diese Verkleidung muß
gemäß VBG 5 §7 (2) 5 eine eindeutig
festgelegte Schutzstellung haben. Lt. DA zu §7 (2)
5 ist die Schutzstellung z.B. durch Scharniere
und dergleichen eindeutig festgelegt. Die
Schutzhaube muß also mit der Maschine untrennbar
verbunden sein (d.h. nicht ohne Werkzeug zu
entfernen sein), z.B. zum Aufklappen gehen und spätestens
beim Einschalten in die Schutzstellung zurückkehren.
(T)
1.2 Lt. VBG 5 §6 (1) 1, 3 und 4 müssen
Gefahrenquellen durch ausreichende Verbindung,
sicheres Spannen, Halten und Führen von Teilen
des Arbeitsmittels, Werkstücken und anderem
Arbeitsgut vermieden werden. Das heißt, die
abgerissene Platte der Werkstückauflage muß
erneuert werden. Der Maschinenschraubstock ist
ebenfalls beschädigt und muß ersetzt werden.
Siehe auch VBG 7n §4 Satz 2. (TT)
1.3 Zum Entfernen der Bohrspäne sind
geignete Hilfsmittel bereitzustellen (VBG 7n §4
Satz 3). (T)
1.4 An der linken Seite der Maschine ist
eine Hauptbefehlseinrichtung - gut erreichbar -
mit eindeutiger Ein-Aus-Stellung und allpoliger
Trennung (z.B. Drehschalter mit einer neutralen
Farbe) anzubringen ((VDE 0113 T. 1/02.86 5.6.2 ff.).
Die vorhandene Schalteinrichtung entspricht bei
weitem nicht dem Stand der Technik. (T)
Anmerkungen: Eine Notbefehlseinrichtung
ist nicht erforderlich, da die Gefährdung durch
den Einsatz nicht gemindert werden kann (BetrSichV
A1 Ziffer 2.4 letzter Absatz). Bei der
vorliegenden Maschinengröße (bis 16A, 2kW)
reicht die Steckvorrichtung als Netz-Trenneinrichtung
aus (VDE 0113 T. 1/02.86 5.6.2d).
1.5 Das Anschlußkabel muß gegen
mechanische Beschädigung, scharfe Kanten, Öl,
Temperatur und chemische Einflüsse geschützt
verlegt werden (VDE 0113 T. 1/02.86 9.2 und 10.4.1.2).
(T)
1.6 Der Klemmkasten muß mindestens der
Schutzart IP 44, einschließlich Leitungsdurchführungen,
entsprechen (VDE 0113 T. 1/02.86 10.1.6). (T)
1.7 Lange Haare des Bedieners ohne
Kopfbedeckung, Ring an der rechten Hand, offene
Arbeitskleidung, unaufgeräumter Arbeitsplatz: Es
liegt eine Verletzung des §24 Absatz 3 der VBG 5
(Gefährdung sich selbst und andere) vor. Schwere
Verstöße gegen die Unfallverhütungsvorschriften
sind als fahrlässiges Handeln anzusehen. (VVV)
1.8 Der Versicherte trägt einen
Handschuh, keine ausreichende Befestigung des
Werkstücks: Dies muß mit der fehlenden
maschinellen Ausrüstung in Zusammmenhang
gebracht werden, also (VO).
1.9 Der betriebliche Vorgesetzte muß die
Unfallverhütungsvorschriften im Betrieb beachten
und durchsetzen (Aufsichtspflicht des
Arbeitgebers). Hat der Unternehmer (oder der
Mitarbeiter) einen Arbeitsunfall grob fahrlässig
verursacht, so kann der Sozialversicherungsträger
nach §110 des SGB VII Ersatz für alles
verlangen, was er in Folge des Unfalls aufwenden
mußte (Regress). (O)
Mängel-Klassifizierungsverhältnis
T : O : V = 7 : 2 : 4 (T= technisch, O=
organisatorisch, V= verhaltensbedingt)
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Bild 2:
Schleifmaschine (Baujahr 1989)
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zu Bild 2 -
Schleifmaschine:
Prüfgrundlagen:
VBG 4, VBG 5, VBG 7n6, VBG 7t1, VDE 0113 T. 1/02.86,
DIN 43666/12.57, DIN 31000/03.79, DIN 31001 T. 1/04.83,
DIN 33401/07.77, VDI-RL 3228/5.67 und VDI-RL 3231/11.74
in Verbindung mit der
Betriebssicherheitsverordnung2.1 Die
Schleifscheibe muß entsprechend Anlage 3 der VBG
7t1 aufgearbeitet oder erneuert werden. Die
Seitenflächen müssen parallel sein. (T)
2.2 Die Aufspannung des Schleifkörpers muß
gemäß Anlage 3 der VBG 7t1 erneuert werden. (T)
2.3 Lt. VBG 7t1 §7 (1) müssen
Schleifmaschinen, deren Schleifkörper mehr als
15m/s Umfangsgeschwindigkeit erreichen mit
Schutzhauben ausgerüstet sein. Die vorhandene
unvollständige Schutzhaube muß somit gemäß
Anlage 2 instandgesetzt werden. (T)
2.4 Eine einteilige U-förmige Werkstückauflage
ist entsprechend VBG 7n6 §9 (2) 3. Satz nicht
zulässig. (T)
2.5 Die Kabelführung des Leuchtkörpers
muß geändert werden so, daß das Kabel gegen
mechanische Beschädigung geschützt ist (VDE
0113 T. 1/02.86 9.2 und 10.4.1.2). (T)
2.6 Lt. VBG 7n6 § 14 (1) muß bei
Trockenschliff eine Schutzbrille getragen werden.
(V)
2.7 Frei hängende offene Arbeitskleidung
ist beim Umgang mit Maschinen nicht zulässig. (V)
2.8 Der betriebliche Vorgesetzte muß die
Unfallverhütungsvorschriften im Betrieb beachten
und durchsetzen (Aufsichtspflicht des
Arbeitgebers). Hat der Unternehmer (oder der
Mitarbeiter) einen Arbeitsunfall grob fahrlässig
verursacht, so kann der Sozialversicherungsträger
nach §110 des SGB VII Ersatz für alles
verlangen, was er in Folge des Unfalls aufwenden
mußte (Regress). (O)
Mängel-Klassifizierungsverhältnis
T : O : V = 5 : 1 : 2 (T= technisch, O=
organisatorisch, V= verhaltensbedingt)
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Bild 3: Kreissäge (Baujahr 1990)
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Anlage 4 |
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zu Bild 3- Kreissäge :
Prüfgrundlagen:
VBG 4, VBG 5, VBG 7j, VDE 0113 T. 1/02.86, DIN
31000/03.79, DIN 31001 T. 1/04.83 in Verbindung
mit der Betriebssicherheitsverordnung3.1 An Kreissägemaschinen
muß das Sägeblatt bis auf den zum Schneiden
erforderlichen Teil verkleidet sein (VBG 7j §38
(1)). Das Sägeblatt unter der Tischfläche muß
also ebenfalls verkleidet sein. (T)
3.2 Das Sägeblatt muß mit einer
Schutzhaube nach §43 (4) der VBG 7j versehen
sein, die so beschaffen, angeordnet und
eingestellt ist, daß abfliegende Bruchstücke
und Splitter aufgefangen werden (vgl. auch VBG 7j
§42 (3)). Die Schutzhaube muß den Zahnkranz am
Umfang und beidseitig gegen Berühren sichern (VBG
7j §43 (5)). Siehe nebenstehende Anlage 4. (T)
3.3 Der Spaltkeil muß so eingestellt
werden, daß er innerhalb der Schnitthöhe einen
Abstand von höchstens 10 mm zum Zahnkranz
annimmt (siehe VBG 7j §44 (1)). (VO)
3.4 Zum Zuführen der Werkstücke ist ein
Schiebestock zu benutzen, wenn der Abstand
zwischen Paralellanschlag und Sägeblatt weniger
als 120mm beträgt (VBG 7j §44 (7)). (V)
3.5 Rauchen trotz Rauchverbot. (V)
3.6 Watte statt Gehörschutz. (O)
3.7 Holzspäne nicht entfernt. (V)
3.8 Nichtbenutzung von persönlicher
Schutzausrüstung (z.B. Schutzbrille). (VO)
3.9 Der betriebliche Vorgesetzte muß die
Unfallverhütungsvorschriften im Betrieb beachten
und durchsetzen (Aufsichtspflicht des
Arbeitgebers). Hat der Unternehmer (oder der
Mitarbeiter) einen Arbeitsunfall grob fahrlässig
verursacht, so kann der Sozialversicherungsträger
nach §110 des SGB VII Ersatz für alles
verlangen, was er in Folge des Unfalls aufwenden
mußte (Regress). (O)
Mängel-Klassifizierungsverhältnis
T : O : V = 2 : 4 : 5 (T= technisch, O=
organisatorisch, V= verhaltensbedingt)
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Anmerkungen:
Anhang 1
der Betriebssicherheitsverordnung enthält - wie jedes
Gesetz oder jede Verordnung - nur abstrakt formulierte
Schutzziele, die erst in den relevanten Vorschriften,
Normen und technischen Spezifikationen endgültig
ausformuliert werden. Das bedeutet, wenn die zutreffenden
Vorschriften für das gegebene Prüfobjekt erfüllt sind,
ist Anhang 1 der Betriebssicherheitsverordnung ebenfalls
erfüllt.
Ohne die Kenntnis der relevanten technischen Regeln ist
Anhang 1 der Betriebssicherheitsverordnung zu Prüfzwecken
nicht anwendbar.
- Beispiel 1:
BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.4 : "...
Notbefehlseinrichtung ..., mit der
gefahrbringende Bewegungen ... möglichst
schnell stillgesetzt werden ..."
Der Begriff - möglichst schnell - bedeutet z.B.
für eine Kettensäge etwas anderes als für
einen Kalander. Prüfbare Zeiten findet man nur
in den technischen Vorschriften für die gegebene
Maschine.
- Beispiel 2:
BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.1, 3. Absatz: "Befehlseinrichtungen
müssen so angeordnet und beschaffen
sein oder gesichert werden können, daß ein
unbeabsichtigtes Betätigen verhindert ist"
Diese Forderungen sind in verschiedenen
Produktnormen für Befehlseinrichtungen bereits
enthalten. Der Schutz gegen unbeabsichtigtes Betätigen
ist bauartbedingt gegeben. Wenn eine
Befehlseinrichtung doch unbeabsichtigt betätigt
werden kann, bedeutet, daß man den falschen
Schalter für die gegebene Aufgabe eingebaut hat.
Der Verfasser sieht keinerlei Nachrüstbedarf in
dieser Hinsicht.
- Beispiel 3:
BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.9: "Die Arbeits-
bzw. Instandsetzungs- und Wartungbereiche des
Arbeitsmittels müssen entsprechend den
vorzunehmenden Arbeiten ausreichend
beleuchtet sein"
Was "ausreichend beleuchtet" heißt,
wird in den technischen Regeln definiert.
- Beispiel 4:
BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.10: "Sehr
heiße oder sehr kalte Teile eines
Arbeitsmittels müssen mit Schutzeinrichtungen
versehen sein ..."
Die Definition von "sehr heiß oder sehr
kalt" findet man in diversen Normen.
usw.
Die Betriebserfahrung
zeigt, daß die Rechtsvorschriften, die im Zeitpunkt der
erstmaligen Bereitstellung für die jeweiligen Maschinen
gegolten haben, in vielen Fällen nicht oder nicht mehr
eingehalten werden.
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