SACHVERSTÄNDIGENBÜRO FÜR MASCHINENSICHERHEIT

Dipl.-Ing. Ferenc Varga
Ingenieur für Anlagenbetriebstechnik, Sicherheitsingenieur
Fritz Flinte Ring 91, D-22309 Hamburg
Tel./Fax 040/632 20 55

5. Referate/Thema Nr. 3

1. Zur Person 2. Maschinen 3. Konditionen 4. Qualitätssicherung
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Thema Nr. 1
Thema Nr. 2
Thema Nr. 3
  1. Fragen und Antworten zur Gefahrenanalyse und zur technischen Dokumentation im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EG

  2. Sichere Maschinensteuerungen: eine praktische Betrachtung der Steuerungskategorien nach EN 954-1

  3. Prüfung von "Altmaschinen" nach der Betriebssicherheitsverordnung gemäß § 7 Absatz 2 Ziffer 2 durch beispielhafte Auswertung von Fehlerbildern


Thema Nr. 3: Prüfung von "Altmaschinen" nach der Betriebssicherheitsverordnung gemäß § 7 Absatz 2 Ziffer 2 durch beispielhafte Auswertung von Fehlerbildern

Einführung: Viele Unternehmen tun sich immer noch schwer mit der Anpassung der Arbeitsmittel an die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) vom 27. September 2002. Das mag auch an den umfangreichen Anleitungen und Dokumentationsvorlagen der Unfallversicherungsträger und sonstigen Stellen liegen, die einen recht arbeitsintensiven Eindruck machen. Angesichts der Anzahl der zu bewertenden Arbeitsplätze in einem mittleren Unternehmen wirkt das eher abschreckend, die Anpassung wird oft nur halbherzig bis gar nicht durchgeführt oder auf die lange Bank geschoben.
Die Anleitungen und Vorlagen sind dabei allesamt Empfehlungen und Interpretationen je nach Interessenlage der Anbieter und keinesfalls verbindlich.

In diesem Beitrag soll anhand von Beispielen gezeigt werden, daß die Prüfung in den meisten Fällen mit relativ geringem Aufwand, z.B. im Rahmen der täglichen Betriebsbegehung, von der Sicherheitsfachkraft durchgeführt werden kann.

Vorgehen: Die Fotos werden nach sicherheitstechnischen Mängeln ausgewertet, die - wie in der Praxis - mit Vorschriften/ Normen/ technischen Regeln etc. begründet werden können. Solche Beanstandungen müssen umgehend beseitigt werden.
Zusätzlich werden die Mängelpunkte in 3 Problemgruppen, technischen (T), organisatorischen (O) und verhaltensbedingten (V) Ursprungs, eingeteilt. Die Gruppierung soll helfen weitere Aussagen über die Arbeitssicherheit im Betrieb treffen zu können.

Anmerkungen: Die nebenstehenden Fehlerbilder sind zwar gestellt aber durchaus praxisnah. Sie sollen in diesem Beispiel als Momentaufnahmen von Arbeitsplätzen, wie die Sicherheitsfachkraft diese tagtäglich erlebt, betrachtet werden.
Es können selbstverständlich nur den Bildern ersichtliche Problempunkte, d.h. ohne das Studium der Maschinensteuerung, der elektrischen Ausrüstung, der Begleitunterlagen, ohne Gefahrstoffe und Brandschutz, etc., betrachtet werden.

Prüfgrundlagen: Als primäre Prüfgrundlage wird die Betriebssicherheitsverordnung zugrundegelegt. Es sollen jedoch gemäß § 7 Absatz 2 Ziffer 2 - Rechtsvorschriften, die im Zeitpunkt der erstmaligen Bereitstellung gegolten haben - mitberücksichtigt werden.
Das heißt, es gelten die zum Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebnahme gültigen Rechtsvorschriften, es sei denn, die BetrSichV stellt höhere Anforderungen.

Bild 1: Bohrmaschine (Baujahr 1990)

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zu Bild 1 - Bohrmaschine:

Prüfgrundlagen: VBG 4, VBG 5, VBG 7n § 4, VDE 0113 T. 1/02.86, DIN 40050/6.72 (Bl. 2), DIN 43605/7.67, DIN 43666/12.57, DIN 31000/03.79, DIN 31001 T. 1/04.83, DIN 33401/07.77, VDI-RL 3228/5.67 und VDI-RL 3231/11.74 in Verbindung mit der Betriebssicherheitsverordnung

1.1 Gefahrstellen an Antrieben müssen gem. VBG 5 §3 (2) 1 vollständig verkleidet sein, d.h. eine Schutzhaube ist am Riementrieb anzubringen. Diese Verkleidung muß gemäß VBG 5 §7 (2) 5 eine eindeutig festgelegte Schutzstellung haben. Lt. DA zu §7 (2) 5 ist die Schutzstellung z.B. durch Scharniere und dergleichen eindeutig festgelegt. Die Schutzhaube muß also mit der Maschine untrennbar verbunden sein (d.h. nicht ohne Werkzeug zu entfernen sein), z.B. zum Aufklappen gehen und spätestens beim Einschalten in die Schutzstellung zurückkehren. (T)
1.2 Lt. VBG 5 §6 (1) 1, 3 und 4 müssen Gefahrenquellen durch ausreichende Verbindung, sicheres Spannen, Halten und Führen von Teilen des Arbeitsmittels, Werkstücken und anderem Arbeitsgut vermieden werden. Das heißt, die abgerissene Platte der Werkstückauflage muß erneuert werden. Der Maschinenschraubstock ist ebenfalls beschädigt und muß ersetzt werden. Siehe auch VBG 7n §4 Satz 2. (TT)
1.3 Zum Entfernen der Bohrspäne sind geignete Hilfsmittel bereitzustellen (VBG 7n §4 Satz 3). (T)
1.4 An der linken Seite der Maschine ist eine Hauptbefehlseinrichtung - gut erreichbar - mit eindeutiger Ein-Aus-Stellung und allpoliger Trennung (z.B. Drehschalter mit einer neutralen Farbe) anzubringen ((VDE 0113 T. 1/02.86 5.6.2 ff.). Die vorhandene Schalteinrichtung entspricht bei weitem nicht dem Stand der Technik. (T)
Anmerkungen: Eine Notbefehlseinrichtung ist nicht erforderlich, da die Gefährdung durch den Einsatz nicht gemindert werden kann (BetrSichV A1 Ziffer 2.4 letzter Absatz). Bei der vorliegenden Maschinengröße (bis 16A, 2kW) reicht die Steckvorrichtung als Netz-Trenneinrichtung aus (VDE 0113 T. 1/02.86 5.6.2d).
1.5 Das Anschlußkabel muß gegen mechanische Beschädigung, scharfe Kanten, Öl, Temperatur und chemische Einflüsse geschützt verlegt werden (VDE 0113 T. 1/02.86 9.2 und 10.4.1.2). (T)
1.6 Der Klemmkasten muß mindestens der Schutzart IP 44, einschließlich Leitungsdurchführungen, entsprechen (VDE 0113 T. 1/02.86 10.1.6). (T)
1.7 Lange Haare des Bedieners ohne Kopfbedeckung, Ring an der rechten Hand, offene Arbeitskleidung, unaufgeräumter Arbeitsplatz: Es liegt eine Verletzung des §24 Absatz 3 der VBG 5 (Gefährdung sich selbst und andere) vor. Schwere Verstöße gegen die Unfallverhütungsvorschriften sind als fahrlässiges Handeln anzusehen. (VVV)
1.8 Der Versicherte trägt einen Handschuh, keine ausreichende Befestigung des Werkstücks: Dies muß mit der fehlenden maschinellen Ausrüstung in Zusammmenhang gebracht werden, also (VO).
1.9 Der betriebliche Vorgesetzte muß die Unfallverhütungsvorschriften im Betrieb beachten und durchsetzen (Aufsichtspflicht des Arbeitgebers). Hat der Unternehmer (oder der Mitarbeiter) einen Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht, so kann der Sozialversicherungsträger nach §110 des SGB VII Ersatz für alles verlangen, was er in Folge des Unfalls aufwenden mußte (Regress). (O)

Mängel-Klassifizierungsverhältnis T : O : V = 7 : 2 : 4 (T= technisch, O= organisatorisch, V= verhaltensbedingt)

Bild 2: Schleifmaschine (Baujahr 1989)

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Anlage 2
Anlage 3
zu Bild 2 - Schleifmaschine:

Prüfgrundlagen: VBG 4, VBG 5, VBG 7n6, VBG 7t1, VDE 0113 T. 1/02.86, DIN 43666/12.57, DIN 31000/03.79, DIN 31001 T. 1/04.83, DIN 33401/07.77, VDI-RL 3228/5.67 und VDI-RL 3231/11.74 in Verbindung mit der Betriebssicherheitsverordnung

2.1 Die Schleifscheibe muß entsprechend Anlage 3 der VBG 7t1 aufgearbeitet oder erneuert werden. Die Seitenflächen müssen parallel sein. (T)
2.2 Die Aufspannung des Schleifkörpers muß gemäß Anlage 3 der VBG 7t1 erneuert werden. (T)
2.3 Lt. VBG 7t1 §7 (1) müssen Schleifmaschinen, deren Schleifkörper mehr als 15m/s Umfangsgeschwindigkeit erreichen mit Schutzhauben ausgerüstet sein. Die vorhandene unvollständige Schutzhaube muß somit gemäß Anlage 2 instandgesetzt werden. (T)
2.4 Eine einteilige U-förmige Werkstückauflage ist entsprechend VBG 7n6 §9 (2) 3. Satz nicht zulässig. (T)
2.5 Die Kabelführung des Leuchtkörpers muß geändert werden so, daß das Kabel gegen mechanische Beschädigung geschützt ist (VDE 0113 T. 1/02.86 9.2 und 10.4.1.2). (T)
2.6 Lt. VBG 7n6 § 14 (1) muß bei Trockenschliff eine Schutzbrille getragen werden. (V)
2.7 Frei hängende offene Arbeitskleidung ist beim Umgang mit Maschinen nicht zulässig. (V)
2.8 Der betriebliche Vorgesetzte muß die Unfallverhütungsvorschriften im Betrieb beachten und durchsetzen (Aufsichtspflicht des Arbeitgebers). Hat der Unternehmer (oder der Mitarbeiter) einen Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht, so kann der Sozialversicherungsträger nach §110 des SGB VII Ersatz für alles verlangen, was er in Folge des Unfalls aufwenden mußte (Regress). (O)

Mängel-Klassifizierungsverhältnis T : O : V = 5 : 1 : 2 (T= technisch, O= organisatorisch, V= verhaltensbedingt)

Bild 3: Kreissäge (Baujahr 1990)
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Anlage 4
zu Bild 3- Kreissäge :

Prüfgrundlagen: VBG 4, VBG 5, VBG 7j, VDE 0113 T. 1/02.86, DIN 31000/03.79, DIN 31001 T. 1/04.83 in Verbindung mit der Betriebssicherheitsverordnung

3.1 An Kreissägemaschinen muß das Sägeblatt bis auf den zum Schneiden erforderlichen Teil verkleidet sein (VBG 7j §38 (1)). Das Sägeblatt unter der Tischfläche muß also ebenfalls verkleidet sein. (T)
3.2 Das Sägeblatt muß mit einer Schutzhaube nach §43 (4) der VBG 7j versehen sein, die so beschaffen, angeordnet und eingestellt ist, daß abfliegende Bruchstücke und Splitter aufgefangen werden (vgl. auch VBG 7j §42 (3)). Die Schutzhaube muß den Zahnkranz am Umfang und beidseitig gegen Berühren sichern (VBG 7j §43 (5)). Siehe nebenstehende Anlage 4. (T)
3.3 Der Spaltkeil muß so eingestellt werden, daß er innerhalb der Schnitthöhe einen Abstand von höchstens 10 mm zum Zahnkranz annimmt (siehe VBG 7j §44 (1)). (VO)
3.4 Zum Zuführen der Werkstücke ist ein Schiebestock zu benutzen, wenn der Abstand zwischen Paralellanschlag und Sägeblatt weniger als 120mm beträgt (VBG 7j §44 (7)). (V)
3.5 Rauchen trotz Rauchverbot. (V)
3.6 Watte statt Gehörschutz. (O)
3.7 Holzspäne nicht entfernt. (V)
3.8 Nichtbenutzung von persönlicher Schutzausrüstung (z.B. Schutzbrille). (VO)
3.9 Der betriebliche Vorgesetzte muß die Unfallverhütungsvorschriften im Betrieb beachten und durchsetzen (Aufsichtspflicht des Arbeitgebers). Hat der Unternehmer (oder der Mitarbeiter) einen Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht, so kann der Sozialversicherungsträger nach §110 des SGB VII Ersatz für alles verlangen, was er in Folge des Unfalls aufwenden mußte (Regress). (O)

Mängel-Klassifizierungsverhältnis T : O : V = 2 : 4 : 5 (T= technisch, O= organisatorisch, V= verhaltensbedingt)

Anmerkungen: Anhang 1 der Betriebssicherheitsverordnung enthält - wie jedes Gesetz oder jede Verordnung - nur abstrakt formulierte Schutzziele, die erst in den relevanten Vorschriften, Normen und technischen Spezifikationen endgültig ausformuliert werden. Das bedeutet, wenn die zutreffenden Vorschriften für das gegebene Prüfobjekt erfüllt sind, ist Anhang 1 der Betriebssicherheitsverordnung ebenfalls erfüllt.

Ohne die Kenntnis der relevanten technischen Regeln ist Anhang 1 der Betriebssicherheitsverordnung zu Prüfzwecken nicht anwendbar.

  • Beispiel 1: BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.4 : "... Notbefehlseinrichtung ..., mit der gefahrbringende Bewegungen ... möglichst schnell stillgesetzt werden ..."
    Der Begriff - möglichst schnell - bedeutet z.B. für eine Kettensäge etwas anderes als für einen Kalander. Prüfbare Zeiten findet man nur in den technischen Vorschriften für die gegebene Maschine.
  • Beispiel 2: BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.1, 3. Absatz: "Befehlseinrichtungen müssen so angeordnet und beschaffen sein oder gesichert werden können, daß ein unbeabsichtigtes Betätigen verhindert ist"
    Diese Forderungen sind in verschiedenen Produktnormen für Befehlseinrichtungen bereits enthalten. Der Schutz gegen unbeabsichtigtes Betätigen ist bauartbedingt gegeben. Wenn eine Befehlseinrichtung doch unbeabsichtigt betätigt werden kann, bedeutet, daß man den falschen Schalter für die gegebene Aufgabe eingebaut hat. Der Verfasser sieht keinerlei Nachrüstbedarf in dieser Hinsicht.
  • Beispiel 3: BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.9: "Die Arbeits- bzw. Instandsetzungs- und Wartungbereiche des Arbeitsmittels müssen entsprechend den vorzunehmenden Arbeiten ausreichend beleuchtet sein"
    Was "ausreichend beleuchtet" heißt, wird in den technischen Regeln definiert.
  • Beispiel 4: BetrSichV Anhang 1 Ziffer 2.10: "Sehr heiße oder sehr kalte Teile eines Arbeitsmittels müssen mit Schutzeinrichtungen versehen sein ..."
    Die Definition von "sehr heiß oder sehr kalt" findet man in diversen Normen.
    usw.

Die Betriebserfahrung zeigt, daß die Rechtsvorschriften, die im Zeitpunkt der erstmaligen Bereitstellung für die jeweiligen Maschinen gegolten haben, in vielen Fällen nicht oder nicht mehr eingehalten werden.